Firmenporträt Gert Levy – Praxis für Gestalt und Migration
Jahresbericht 2011 und Statistik
Qualitätszertifikat nach ISO 9001: 2008
Statistik 2011 online aufrufen oder herunterladen
Gert Levy ist 59 Jahre alt. Das erste Mal begegne ich ihm in
Nippes auf der Neusser Straße. Eine Freundin macht uns bekannt und
gemeinsam trinken wir Café auf dem Schillplatz. In seiner Lederjacke
mit Kapuzensweatshirt drunter sieht er aus wie ein Rockstar, der als
Streetkid unterwegs ist. Sein Gesicht verrät, dass er schon einiges
erlebt hat, doch sobald ein Lächeln seine Sorgenfalten glättet, wirkt
er geradezu jungenhaft. Schnell ist ein Gespräch gefunden. Der
weitgereiste Sozialpädagoge und Psychotherapeut weiß eine wissbegierige
Ethnologin und Journalistin aufs Beste zu unterhalten. Egal, ob Kenia
oder Nepal, Madagaskar oder der Nahe Osten, der Mann hat Ahnung und ich
einen Auftrag – nach einem weiteren Treffen. Er fragt, ob ich Interesse
hätte, ein Porträt über seine Praxis für Gestalt und Migration in der
Südstadt zu erstellen und zwar mittels teilnehmender Beobachtung und
journalistischer Interviews. Er will eine Zertifizierung seiner
Einrichtung erreichen. Ein entsprechendes Qualitätsmanagement muss
deshalb durchgeführt werden und da passe ich ganz gut rein. Kurz drauf
willige ich ein und der erste Termin in den Räumlichkeiten seiner
Praxis steht im Spätsommer 2010.
Kein Platz für Schickimicki
Mitten auf der umtriebigen Merowinger Straße befindet sich der Eingang.
Direkt im Erdgeschoss weist ein zur Straße hin liegendes Ladenlokal den
Weg. Durch einen düsteren Hausflur, der an einem Büro und den Toiletten
vorbeiführt, erreicht man das Café, wo die Besprechungen stattfinden.
Auch hier ist es angesichts des sonnigen Wetters draußen recht dunkel
und kühl. Bevor ich mich niederlasse, werde ich kurz durch die weiteren
Räume geführt. Es folgt ein größeres Zimmer, in dem beraten und auch
therapiert wird, ein Atelier, in dem gestaltet wird, und in der oberen
Etage ist Platz für ein Treffen auf bunt zusammengewürfelten Sesseln,
die um einen Couchtisch gruppiert sind. Dahinter liegt Levys Büro.
Spartanisch, aber mit allem was man braucht, eingerichtet: Ein
Schreibtisch mit PC und Telefon und ein Kaffeekocher in Reichweite. An
den Wänden stehen Schränke mit vollen Aktenordnern.
Nachdem ich alles in Augenschein genommen habe, geht es zurück in das
Café. An einen Tisch, der mit Keksen und Kaffeetassen, Gummibärchen und
Gläsern vollgestellt ist, haben sich die Mitarbeiter versammelt. Es ist
Dienstagnachmittag, 16 Uhr, und damit Zeit für die wöchentlich
stattfindende Teamsitzung. Die Deko erinnert noch ein bisschen an das
längst vergangene Weihnachten und auch ein bisschen Ostern ist noch
übriggeblieben. Es sieht aus wie in einer nicht ganz aufgeräumten WG.
Aber diese Äußerlichkeiten passen ganz genau zu dem, was drinnen
stattfindet. Hier ist kein Platz für Schickimicki und
Oberflächlichkeit.
Hier wird sich ernsthaft ausgetauscht und zwar offen und
ehrlich. Die Atmosphäre ist locker, vertraut, freundlich. Die Struktur
ist vorgegeben. Alle sagen erst einmal kurz, wie es ihnen geht:
Gesundheitlich, ganz privat und sozial im Team. Auch die finanzielle
Situation der Praxis wird von Levy dargestellt und kann von allen
kommentiert werden. Ohne irgendwelche Vorkenntnisse höre ich zu.
Nachdem jeder seine Befindlichkeiten geäußert hat, und allgemeine
Belange der Praxis wie die Installation eines neuen Telefonanaschlusses
äußert sich zu den genannten Personen. Klienten, denen es derzeit gut
geht, werden nur kurz, diejenigen, deren momentane Situation
problematischer ist, näher behandelt. Alle aber werden respektvoll
geschildert.
Mit Rücksicht auf mich werden Kürzel wie IHP (Individueller
Hilfeplan), HPK (Hilfeplankonferenz) und UK’s (Urinkontrollen) erklärt.
Ich werde auf den strukturbedingten und strikten Datenschutz
eingeschworen. Mir wird erneut eingebläut, alle Namen und Daten nicht
nur von Klienten, sondern auch von Institutionen sofort wieder zu
vergessen. Ich höre von Menschen, die wichtige Termine versäumt haben,
weil sie ihre Post nicht alleine öffnen können, von anderen, deren
Urinproben einen Beikonsum verraten, von einigen, die Probleme bei der
ARGE haben oder Wohnungen suchen und von Schwerstkranken, die begleitet
werden. Viele der Namen verraten einen iranischen, griechischen,
spanischen oder arabischen Hintergrund. Ich bin angekommen in einem der
Bereiche, die die Praxis ausmachen. Hier geht es um die ambulante
Betreuung von Menschen mit psychischer Erkrankung und/oder
Suchtproblematik und vor allen Dingen mit schweren Traumatisierungen.
Mitten im Zentrum
Wenn Gert Levy Außenstehenden die Vielfältigkeit seiner Praxis erklären
will, dann malt er einen runden Kuchen und teilt diesen in
unterschiedlich große Stücke auf. Der Bereich „Ambulant Betreutes
Wohnen“ nimmt ungefähr ein Drittel des ganzen Brockens ein. Alle
Angestellten, die in der Praxis beschäftigt sind, arbeiten in diesem
Aufgabenfeld: Der Chef Gert Levy, Heilpraktiker Psychotherapie sowie
weiteren Ausbildungen und Diplomen; Stephanie Wiese, Diplompädagogin;
Inga Oehl, diplomierte Sozialarbeiterin; Tilemahos Psarras,
Diplompsychologe; Minerva Lehmann, Ernährungsberaterin und XY,
Erlebnispädagoge. Obwohl jeder seine eigenen Klienten betreut, kümmern
sie sich gemeinsam um das Wohl der Menschen, die hier Hilfe suchen. So
könnte man zumindest die von allen geäußerte Formulierung deuten, dass
man starke Unterstützung im Team, aber auch von dem Chef erfährt.
Nach mehreren Sitzungsteilnahmen und Einzelinterviews finde ich nach
und nach heraus, was hier passiert. Die ambulante Betreuung von
Menschen mit psychischen oder physischen Problemen, ist nicht neu. Aber
wie Gert Levy an die Sache herangeht, ist einzigartig. Erstens hat er
aufgrund seiner breit aufgestellten Ausbildung als
Diplomsozialpädagoge, Heilpraktiker, Gestalttherapeut und seinen
langjährigen Erfahrungen in den Bereichen Sucht, Migration und Trauma
das nötige Know-how, zweitens eine ganz klare Motivation und drittens
ein von ihm persönlich zusammengestelltes Team, das voll und ganz
hinter ihm steht. Obwohl Gert Levy eher antiautoritär sozialisiert ist
und daher flache Hierarchien praktiziert, nennt er seinen
Argumentationsstil selbst „stalinistisch“. Das bedeutet, er diskutiert
mit seinen Kollegen Therapieansätze und Vorgehensweisen in der
Behandlung einzelner Klienten. Wenn diese aber nach seiner Diagnose
nicht geeignet sind, argumentiert er so lange, bis er das Gefühl hat,
seine Ansicht so klar ausgedrückt zu haben, dass seine Kollegen ihn
wirklich verstehen. Letztendlich muss er alles verantworten.
Das Prozedere
Durch Mund-zu-Mund-Propaganda und/oder durch Allgemeinmediziner oder
Substitutionsärzte erfahren die Klienten von der Möglichkeit, sich an
die Praxis für Gestalt und Migration zu wenden. Ihre Motivation ist
klar: Sie wollen substituiert werden. Ohne psychosoziale Begleitung
müssten sie das Substitutionsmittel allerdings selbst zahlen und das
ist ihnen in den seltensten Fällen möglich. Aus ihrer Vergangenheit
wissen sie, dass die Drogeneinnahme dazu geführt hat, dass sie
erhebliche Defizite haben.
Sie können ihre sozialen, bürokratischen und juristischen
Anforderungen nicht mehr erfüllen, tauchen auch deshalb immer tiefer in
den Sumpf ein und brauchen Hilfe und Unterstützung von außen.
Nach Beginn des „Ambulant Betreuten Wohnens“ erstellt Levy eine
„Entlastung von der Schweigepflicht“ mit den Klienten, schickt diese
zurück an die behandelnden Praxen und an die begleitenden
Institutionen. In der Folge werden während des gesamten Zeitraums der
Betreuung regelmäßig Fallbesprechungen mit diesen Instanzen
durchgeführt.
Nach drei bis fünf Informationstreffen meldet Levy die Klienten beim
Landschaftsverband Rheinland (LVR) zum „Ambulant Betreuten Wohnen“ an.
Ab diesem Zeitpunkt beginnt er mit ihnen, einen individuellen Hilfeplan
(IHP) zu erstellen. Dieser beschriebt sowohl die Biografie des Klienten
in sozialer, juristischer und allgemeiner Lebenssituation. Nachdem der
Therapeut dann die sozialhilferechtlichen Grundlagen und Unterlagen
erhalten hat und der IHP erstellt ist, reicht Levy ihn sowohl beim LVR
als auch entweder – liegt eine psychische Erkrankung vor – beim
Sozialpsychologischem Zentrum (SPZ) oder – liegt eine Suchterkrankung
mit illegalen Drogen vor – beim Gesundheitsamt der Stadt Köln – ein. In
diesen beiden Institutionen finden dann erneut zirka zwei Monate später
die Hilfeplankonferenz (HPK) statt. Dort wird die Stundenzahl
beschlossen, die Levy für den jeweiligen Klienten zur Verfügung hat.
Zirka zwei Monate später erhält er dann rückwirkend ab Anmeldung den
Bewilligungsbescheid und dann, aber höchstens bis zu 12 Monaten, den
jeweiligen Fachleistungsstundensatz. Einen Monat vor Ablauf der
Bewilligungsfrist kann ein Folgeantrag gestellt werden, der allerdings
nur einen geringeren Umfang haben darf als der Vorausgegangene.
Die Klienten dieser Praxis sind fast ausnahmslos kriminalisiert. Sie
unterliegen juristischen Verfahren und Weisungen, müssen um ihre
„Duldung“, ihre „Aufenthaltsgenehmigung“ oder ihren „Aufenthaltsstatus“
bangen und sich zum Teil regelmäßig bei der Bewährungshilfe melden. Ein
Großteil der Arbeit besteht somit in der Abwicklung dieser
bürokratischen und juristischen Angelegenheiten mit der Klientel. Levy
braucht hierzu eine ausgereifte Logistik und gegebenenfalls
muttersprachliche Fachkräfte zur Sprachvermittlung. Er benötigt große
Kenntnisse der kulturellen und politischen Spezifitäten der
Herkunftsländer seiner Klientel und vor allen Dingen eine hohe
Feinfühligkeit für die hieraus entstehenden Reibungsflächen.
Finanzierung und Refinanzierung
Kernpunkt der Problematik innerhalb der Refinanzierung ist, dass Levy
somit im Schnitt vier Monate in Vorleistung treten muss. Er sagt dazu,
dass ihm dies überhaupt nicht möglich wäre, hätte er nicht noch andere
Einnahmequellen wie Einzeltherapie, Supervision, Fortbildungsangebote
und hier und da auch Lehraufträge.
Abrechenbar sind – im Rahmen des „Ambulant betreuten Wohnens“ – nur
sogenannte „face-to-face“- und „ear- to-ear“-Kontakte. Das heißt im
Klartext: Ist ein Termin mit einem Klienten vereinbart, der aber nicht
zustande kommt, weil der Betreffende nicht anwesend war, dann ist diese
Zeit auch nicht abrechenbar. „Fahren wir zu ihm und er ist nicht da,
verlieren wir die Anfahrzeit und die Zeit, die wir für das Gespräch
vereinbart haben. Menschen mit psychischer Erkrankung und gar Sucht
zeichnen sich durch ein hohes Maß an Unzuverlässigkeit aus“, so Levy.
Die Menschen – so scheint es ihm – sind verloren in Zeit und
Raum, quasi orientierungslos, da heimatlos. So entstehen erheblich
Einbußen bei den Einnahmen. Bei zirka 60% der Terminvereinbarungen, die
seitens der Klientel nicht ohne weiteres eingehalten werden, wird eine
Kostenkalkulation zum reinen Vabanquespiel.
Eine solche Praxis könne gar nicht überleben, wenn sie nicht
gleichzeitig in einer Art Bauchladensystem weitere qualifizierte und
hochwertige Angebote hätte. „Durch diese Diversifizierung verbreitert
sich die Angebotslage und die lange Wartezeit auf die Refinanzierung
des Kernstücks, das „Ambulant Betreute Wohnen“, kann überbrückt
werden“, fasst Levy zusammen.
Neue Regelungen seitens des LVR, wie beispielsweise die Hinzuziehung
eines zweiten, sogenannten „externen Gutachter“ bei der Bewilligung der
Anträge, verzögern das ganze Procedere weiter. Nicht nur, dass die
externen Experten über ganz NRW verteilt sind und deshalb lange
Anfahrtszeiten erfordern, wird zum Problem, sondern auch die Tatsache,
dass die oft Schwersttraumatisierten sich nicht noch einer zweiten
Begutachtung aussetzen wollen und können. Auch hier sind zusätzliche
Sonderleistungen der Betreuer in Form von Überzeugungsgesprächen und
Begleitungen zu leisten, die ebenso wenig abgerechnet werden können wie
zusätzliche Terminvereinbarungen oder notwendige Sprachvermittler.
Belastung der Betreuer
Zusätzlich ergeben sich erhebliche Schwierigkeiten bei den
Vorortbesuchen in einigen wenigen, aber doch sehr problembelasteten
Kölner Bezirken. In den letzten Jahren haben sich mindestens in zwei
Kölner Stadtvierten sogenannte „no-go areas“ entwickelt. Hausbesuche
dort führen zum Teil durch die vermutete Gefahr der körperlichen
Bedrohung zu erheblichen psychischen Belastungen der Betreuer.
Die Form des „ambulanten Betreuens“ erfordert jedoch eine große
Mobilität seitens der Betreuer. Die Klientel wohnt über den gesamten
Stadtbezirk verteilt. Oft können sie sich nicht aussuchen, wo sie
wohnen wollen, sondern werden an den Rand der Stadt gedrängt. Ein
Hausbesuch ist demnach nicht nur nervenaufreibend, sondern auch
zeitaufwändig.
Gemeinwesenarbeit
Eine zentrale Erkenntnis, die Levy im Rahmen seiner sozialen Arbeit
gemacht hat, ist es, dass diese nicht ohne den Dialog aller Beteiligten
stattfinden darf. Das wusste natürlich auch der LVR und inthronisierte
von Anbeginn an den AKBeWo (Arbeitskreis Ambulant Betreutes Wohnen).
Levy nahm gleich zu Anfang an diesen Sitzungen teil. Dort trafen sich
alle sechs Wochen alle mit dem „Ambulant betreuten Wohnen“ betrauten
Anbieter. Das heißt: sowohl diejenigen, die sich um Menschen mit rein
psychischen Erkrankungen und Suchterkrankungen mit legalen Drogen
kümmern, als auch die Praxen, die die ordnungspolitisch noch
problematischeren Bereiche der Suchterkrankungen mit illegalen Drogen
abdecken. Die Arbeitsabläufe in diesen letzteren Bereichen unterliegen
noch sehr viel engeren Rahmenbedingungen. Sehr schnell schlug Levy
deshalb vor, einen eigenen Gremienbereich zu entwickeln, der die
Betreuung von Menschen mit Suchmittelabhängigkeiten illegaler Drogen
vereint.
Im Einverständnis und in Absprache mit dem Gesundheitsamt Köln
initiierte Levy dann 2007 den sogenannten Unterarbeitskreis (UAK)
Illegale Drogen. Heute wird dieser AK-Bewo Sucht genannt. Seine
Grundhaltung lautet, dass durch das Gespräch aller Betroffenen – sowohl
der Institutionen als auch der mit der Betreuung Beauftragten –
Qualität in der Betreuung erst hergestellt werden kann. Darüber hinaus
galt es aus seiner Sicht, ein Gremium der Moderation zur Bearbeitung
von systemisch bedingten Konflikten in Gang zu setzen. Dass hieraus
auch ein Steuerungselement der Drogenpolitik im gesamten Kölner
Gemeinwesen geworden ist, war ebenfalls sein explizites Ziel.
Ihm geht es darum, dass erst durch den Dialog Problemstellungen erkannt
und nach dem Erkennen beschrieben und gelöst werden können. Das gilt
sowohl in der Arbeit mit den Klienten als auch mit den Institutionen.
Levy wurde sehr geprägt durch die Arbeiten und Denkansätze von Guattari
und Deleuze. Ihm geht es um die systemische Herangehensweise und in der
Folge auch um systemische Gestaltung im Gemeinwesen. „Wir können“, so
sagt er, „allein schon durch das Betrachten der Probleme, mit denen wir
konfrontiert sind, unsere Realität verändern.“ Ein zentrales Medium,
des stets um Dialog bemühten Therapeuten, ist das Radio. Für ihn ist
das Radio, aufgrund seiner einfacheren technischen Handhabe als zum
Beispiel das Fernsehen, ein optimales Organ, um Betroffene zu Wort
kommen zu lassen. Er nutze diese Medium schon sehr früh. Er gab Ihnen
die Möglichkeit, ihre Probleme darzustellen, sich zu zeigen und für
sich eine Lobby zu schaffen. Und genau das ist es, was er heute auch in
seiner Praxis macht!
Porträts der Mitarbeiter
Die Interviews zu den folgenden Kurzporträts wurden im vergangenen Jahr
geführt. Sie geben den personellen Stand von 2011 wider. Aufgrund der
aktuellen Probleme, die im Abschnitt Finanzierung und Refinanzierung
beschrieben sind, hat sich die personelle Situation der Praxis
mittlerweile geändert. Ausschlaggebend für diese Veränderungen waren
aber auch die enorm hohen psychischen Belastungen, denen die
Mitarbeiter ausgesetzt sind, und ganz persönliche Entwicklungen
einzelner Kollegen.
Kurzportrait Gert Levy, 59, Gestalt-und Suchtherapeut
Als Gert Levy Anfang 1999 seine eigene „Praxis für Gestalt und
Migration“ in der Kölner Südstadt eröffnete, hatte er schon einige
Berufs- und Lebenserfahrungen hinter sich.
1977 startete der in Berlin examinierte Diplomsozialpädagoge seine
berufliche Laufbahn. Nach einigen Jahren in Festanstellung bei
verschiedenen Trägern der freistaatlichen Sozialarbeit stellte Levy
eigene Projekte, die teils vom Land, Bund oder der EU gefördert wurden,
auf die Beine. Diese führten ihn in diverse Länder, Kulturen und auch
einige Kriegsregionen, wo er aktiv vor Ort spontan und gezielt soziale
Arbeit und schwerpunktmäßig Krisenbewältigung praktizierte. Seine
eigene Biografie als Sohn Holocaust-Überlebender hatte ihn schon früh
mit den Folgen von Vertreibung und Gewalt konfrontiert und ihn gelehrt,
eigene Bewältigungsstrategien zu entwickeln. Durch seine Ausbildung zum
Gestalttherapeuten und systemischen Therapeuten konnte er seine
praktischen Erfahrungen mit Theorie und Methodik untermauern.
Danach gefragt, was ihn dazu veranlasst habe, einen helfenden
Beruf zu wählen, sieht der Sucht- und Gestalttherapeut seine Motivation
mittlerweile ganz klar. „Wenn ich lebe, wenn ich existiere, dann nur
deshalb, weil mein Vater nach seiner Flucht aus dem Konzentrationslager
von Sozialarbeiterinnen der katholischen Kirche in Südfrankreich
falsche Papiere bekommen hat, und mit dieser neuen Identität im
Widerstand der Résistance kämpfen und überleben konnte.“ Außerdem, so
Levy, sei seine Mutter im Grunde ihres Herzens Krankenschwester
gewesen. Systemisch betrachtet, formulierte es der stark biografisch
arbeitende Therapeut, gäbe es folglich die Geschichte der Synthese in
der Entwicklung der eigenen beruflichen Laufbahn aus den Impulsen der
Eltern. Die Grundhaltung von Mutter und Vater sind prägend in der
Orientierung des eigenen beruflichen Lebens. Darüber hinaus prägte ihn
natürlich seine eigene Geschichte als Migrant.
Auslösender Faktor in die Selbstständigkeit zu gehen, waren allerdings
tiefe Einblicke in die strukturellen Abläufe einiger größerer Träger.
Ohne ins Detail zu gehen, konstatiert Levy kurz: „Ich wollte mit diesem
Wasserkopf an Verwaltung und den Machtrangeleien nichts mehr zu tun
haben. Ich hatte einfach die Schnauze voll“. Seine jüdischen Wurzeln
hätten ihn – wie auch andere Nachkommen der Shoa – im Umgang mit Macht
besonders sensibilisiert.
So wächst die Praxis für Gestalt und Migration ganz organisch. Anfangs
war Gert Levy alleine und bot überwiegend Einzel- und Paartherapien
sowie Fortbildungen, Coaching und Supervision an. Schon 2000
entwickelte sich das „Ambulant Betreute Wohnen“. Durch soziologische
Veränderungen wurde der Bedarf an einer solchen Betreuungsform geweckt.
Bislang gab es nur „Stationär Betreutes Wohnen“. Dies bedeutete, dass
die Klienten in einer quasi heimartigen Unterbringungsform betreut und
begleitet wurden. Nunmehr galt aber der politische Kernsatz: „Ambulant
vor stationär!“ Dies sollte zu einer Kostensenkung führen. Levy wurde
vom LVR mit der Durchführung beauftragt. Er spezialisierte sich hierbei
auf die bislang weniger beachteten Bereiche der Migration und der
dadurch notwendigen Sprachvermittlung. Da diese Zielgruppe durch
soziale Entwurzelung traumatisiert war, eignete er sich als
Traumatherapeut hierzu hervorragend.
Kluge Netzwerk- und Lobbyarbeit in Gremien, Foren und Arbeitskreisen,
gute Kontakte zu verschieden Entscheidungsträgern in Einrichtungen, die
über ganz NRW verteilt sind, sowie die breitaufgestellte Qualifikation
Levys sorgen dafür, dass immer neue Betreuungsbereiche hinzukommen, die
auch eine Aufstockung des Personals nach sich ziehen. Die eigene
Migrationsgeschichte und Mehrsprachigkeit, die der bilingual
(deutsch/französisch) aufgewachsene Therapeut sich im Laufe seines
Lebens hinzuerworben hat, führen zahlreiche Klienten mit
Migrationshintergrund zu ihm. „Weil die meisten von ihnen nicht
freiwillig ihr Land verlassen haben, sondern flüchten mussten, haben
sich auch viele in psychische Erkrankungen und Rauschmittelkonsum
geflüchtet, um ihre Traumata zu vergessen.“ Sein Angebot der ambulanten
Betreuung für Sucht- und psychisch Kranke richtet sich demnach an
Menschen, die hier den Boden verloren haben, und an solche, denen der
Boden in ihren Heimatländern entrissen wurde.
Sein Arbeitsansatz sei ein humanistischer, sagt er. Es gehe ihm
grundsätzlich um den Dialog: Und zwar nicht nur um den Dialog mit den
Menschen, sondern auch der Förderung des Dialogs zwischen den Menschen
und vor allem um den Dialog zwischen den Menschen und den
Verwaltungsstrukturen. Und das wiederum sei das Besondere an seinem
Ansatz.
Inga Oehl, 31 Jahre, Diplomsozialarbeiterin
Inga Oehl hat ihren Abschluss als Diplomsozialarbeiterin im
Wintersemester 2007/2008 an der staatlichen Fachhochschule in Köln
absolviert. Schon während ihres Studiums konnte sie als Assistentin im
Bereich „Ambulant Betreutes Wohnen“ arbeiten. Damals hatte sie es
vorwiegend mit älteren und psychisch Kranken zu tun. Später kamen auch
jüngere Klienten dazu. Seit November 2008 ist sie auf der Basis einer
26-Stunden-Stelle in der Praxis für Gestalt und Migration
festangestellt. Ihre Motivation, in den sozialen Dienst einzusteigen,
sieht sie in ihrer Biografie verankert. „Ich komme aus einem 1.000
Seelendorf im Saarland. Meine Mutter ist Thailänderin und schon
aufgrund dessen wurde ich ausgegrenzt.“
Da ihr Vater an einer geistigen Behinderung litt, wurde ihre
Bereitschaft anderen zu helfen, schon früh durch die familiäre
Situation aktiviert. „Mein Helfersyndrom ist aber schon im zweiten
Semester flöten gegangen“, sagt sie, „man kann den Leuten nicht helfen,
sondern sie lediglich unterstützen.“ In der Arbeit mit Sucht- und
psychisch Kranken müssen die Grenzen ganz klar sein. „Inga rettet die
Welt“ lebt die Sozialarbeiterin, die auch lange beim Kölner Apell gegen
Rassismus tätig war und im Jugendknast arbeite, jetzt in ihrem
unmittelbaren Umfeld aus. Ganz nach dem Motto: „Keine Faschos in meiner
Straße“, engagiert sie sich politisch überwiegend lokal. Klar
formuliert sie: „Ich habe schon viele Sachen erlebt, bin emphatisch und
kann andere unterstützen.“
Was sie allerdings unterstützt, wenn ihr mal eine Sache zu
nahe geht, ist das Gespräch mit dem Team, die Arbeit mit einem externen
Supervisor und die Tatsache, dass sie sich auch mit allem an den Chef
Gert Levy wenden kann. „Eine Klientin von mir ist kürzlich an multiplem
Organversorgen gestorben, das hat mir schon arg zugesetzt.“ Was Inga an
der Praxis für Gestalt und Migration gefällt, ist dass sie relativ frei
arbeiten kann und statt sich in vorgegeben Strukturen einzufügen,
eigene Strukturen schaffen kann. Alles andere würde die
leidenschaftliche Motorradfahrerin und trainierte Boxerin, die aufgrund
biografischer Erfahrungen sehr darauf achtet, schnell und stark zu
sein, auch zu sehr einengen.
Stephanie Wiese, 36 Jahre, Diplompädagogin
Schon während Ihres Pädagogik-Studiums hat Stephanie Wiese in den
Bereichen der niedrigschwelligen Drogenarbeit ihre Lorbeeren
eingeheimst. Und zwar in dem damals europaweit größten Konsumraum in
Frankfurt. Danach wechselte sie in das Projekt „Streetwork Hotline für
drogenabhängige Frauen“, wo sie nach ihrem Studienabschluss 2001 eine
Vollstelle als Streetworkerin und Sozialarbeiterin übernahm. 2007 zog
sie nach Köln. Die Arbeit in dem extrem niedrigschwelligen Bereich
hatte sie aufgerieben und sie suchte einen Tapeten- und Jobwechsel. „In
Frankfurt war ich eigentlich ein ‚Ein-Frau-Betrieb‘. Das war total
anstrengend. Es gab kein Geld für Supervisionen, erst nach meiner
Kündigung. Die hätte ich aber vorher dringend gebraucht.“ Über ein
Interview, das sie der Autorin Ingrid Strobl, der Ehefrau von Gert
Levy, gegeben hatte, knüpfte sie Kontakt zu ihm und fand in der Praxis
für Gestalt und Migration 2008 eine Festanstellung für 26 Stunden.
Diese wurde aber aufgestockt auf 30 Stunden.
Ihre Motivation, sich in der Drogenhilfe zu engagieren, war
früh gereift. Eine Mitschülerin begann in der 10. Klasse damit, Heroin
zu konsumieren und sich in Frankfurt zu prostituieren. Anfangs noch
gelegentlich am Wochenende, dann immer öfter. Die 12. Klasse schaffte
sie nicht mehr. Seither hat Stephanie nichts mehr von ihr gehört. „Was
mich erschreckt hat, war zu sehen, wie einnehmend die Sucht ist.
Daneben diese Hilflosigkeit von uns Freundinnen. Sie kam und ging und
erzählte immer weniger.“
Anfangs wusste Stephanie noch nicht so recht, was es mit dem „Ambulant
Betreuten Wohnen“ auf sich hat. Schnell stellte sich aber heraus, dass
sich die Arbeit in Köln sehr von der in Frankfurt unterschied. „ Früher
hab ich die Leute da abgeholt, wo sie waren – auf der Straße – heute
mache ich Termine und hab verbindliche Geschichten. Stephanie sieht
sich nicht mehr nur als Feuerwehr. Jetzt hat sie Klienten für
mindestens 12 Monate, die sie auf Wunsch in ihrem Leben unterstützt.
Das Angebot der Praxis für Gestalt und Migration beschriebt sie als
definitiv hochschwellig. Voraussetzung für den LVR (Landschaftsverband
Rheinland) ist z.B., dass die Klienten eine eigene Wohnung haben oder
innerhalb eines halben Jahres eine finden müssen. Und sie dürfen nicht
total auf Droge drauf sein. „Die Leute, die ich jetzt betreue, sind
einigermaßen stabil, an sich konsumfrei, und wollen auf alle Fälle aus
dem Drogenkonsum aussteigen!“
Was sie in ihrer jetzigen Situation unterstützt, ist die Arbeit in
einem professionellen Team, das rücksichtsvoll miteinander umgeht und
regelmäßig mit einer Supervisorin Rücksprache hält. Trotz flacher
Hierarchen sieht sie die Position von Gert Levy, als demjenigen, der
letztendlich die Verantwortung für alles übernimmt, unangefochten.
Sie schätzt es sehr, sich in problematischen Situationen an ihn wenden
zu können, aber auch mit ihm über Strategien im Umgang mit ihren
Klienten zu diskutieren. „Gert ist sehr abstinenzorientiert und ich bin
eher akzeptanzorientiert. Da gehen unsere Meinungen schon mal
auseinander. Die Verbindung beider Haltungen, dem niedrigschwelligen
Ansatz, die Klienten da abzuholen, wo sie gerade sind, und dem
hochschwelligen Ansatz, ihnen die Möglichkeit eines Ausstiegs aus dem
Elend vorzuspiegeln, sei halt optimal. „Grundsätzlich haben wir das
gleiche Ziel, nur manchmal unterschiedliche Herangehensweisen.“
Tilemahos Psarras, 41 Jahre, Diplompsychologe
Der Weg, den Tilemahos Psarras eingeschlagen hat, um Diplompsychologe
zu werden, führte ihn nach der Mittleren Reife ins Gastronomiegewerbe,
wo er als erst als Restaurantfachmann und später als Hotelbetriebswirt
arbeitete. Anlässlich eines Seminares, das er während seiner
Beschäftigung als IT-Berater bei einer Bank besuchte, fragte ihn eine
Kollegin, was er sich denn tatsächlich vom Leben verspreche. Da wurde
ihm klar, dass er sich damit bislang nicht wirklich auseinandergesetzt
hatte. Aufgrund der familiären Situation als klassische
Einwandererfamilie, die 1968 nach Deutschland kam und sich aufs
Geldverdienen konzentrieren musste, blieb wenig Zeit für emotionale
Zuwendungen. „Eine tiefe Nähe zu Menschen aufzubauen, war mir daher
eigentlich schon immer ein echtes Anliegen.“
Mit viel Ehrgeiz und Engagement und einer optimistischen
Einstellung schaffte er den Zugang zur Gesamthochschule in Wuppertal,
wo er 2008 das Studium der Psychologie absolvierte. Danach fand
Tilemahos eine Möglichkeit, als freier Mitarbeiter in den Bereich
„Ambulant betreutes Wohnen“ einzusteigen und traf unter anderem auch
auf die Praxis für Gestalt und Migration von Gert Levy. Dort ist erst
jetzt seit Dezember 2010 mit einer anfangs 20- Stunden-Stelle, die
mittlerweile auf 30 Stunden aufgestockt wurde, festangestellt und sehr
glücklich. Was ihm neben der Arbeit mit Migranten hier am meisten
gefällt, ist, dass bei Gert Levy die Qualität der Arbeit mit den
Klienten absolut im Vordergrund steht. „Hier werden keine
Fachleistungsstunden abgerissen, sondern hier geht es wirklich darum,
den Menschen zu helfen“. Im Sommer strebt er ein 5-jähriges und
kostenaufwändiges Studium zum Psychotherapeuten an.
„Betriebswirtschaftlich ist das absoluter Quatsch, aber das ist mir
egal.“ Vielleicht habe er sich anstecken lassen durch die Grundhaltung
Levys, die da lautet: Tue Gutes und mache das, was du machst, auch gut,
dann wird das als positive Energie – und Geld ist auch eine positive
Energie – ;-) auch wieder zurückkommen.
XY, 46 Jahre, Erlebnispädagoge
Der gelernte Bergmechaniker und Fachinformatiker hat 2010 das
Studienfach Erlebnispädagogik an der FH in Frankfurt abgeschlossen.
Praktische Erfahrungen in diesem Bereich konnte er aber schon in den
vorausgegangen 10 Jahren sammeln. Nach Abschluss einer 9-monatigen
Therapie gründete der „Ex-User“, wie er sich selbst bezeichnet, 1986
eine Selbsthilfegruppe unter dem Motto „Sport und Freizeit“, die zum
Vorläufer des Angebotes „Netzwerk: gesundheit-sport-erlebnis“ wurde.
Gemeinsam mit Jürgen Fais, seinem damaligen Therapeuten, organisierte
er Lauftreffen, Kajak- und Trekkingtouren, die ihn Anfang 2000, nach
intensiven Vorbereitungen und in enger Zusammenarbeit mit der
Spothochschule Köln, mit einem kleinen Team erst auf den Mount Everest,
dann den Annapurna und schließlich den Lantang führten.
Über seine Tätigkeit in der Fachberatung für Arbeit und Gesundheit, die
in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Köln jungen Erwachsenen
bei der Entwicklung einer persönlichen und beruflichen Perspektive
hilft, knüpfte er auch Kontakte zu verschiedenen BeWo-Anbietern. Die
Praxis für Gestalt und Therapie kannte er aufgrund einer engen
Zusammenarbeit mit Inga Oehl und Stephanie Wiese. Aus finanziellen
Gründen wurde die Fachberatung Ende letzten Jahres vorläufig
eingestellt und auch XY musste sich nach einem neuen Job
umsehen. Umso mehr freute er sich, als Gert Levy ihm ein Angebot
machte. Seit dem 14 Januar 2011 betreut er nun innerhalb seiner
14-Stunden-Stelle eigene Klienten. „Hier ist alles transparent. Gert
informiert über alles, das Team ist hilfsbereit, das Arbeitsklima
super.“ Trotz seiner Bedenken, zu sehr mit seiner eigenen Biografie
konfrontiert zu werden, weil er es nun nicht mehr nur mit jungen Leuten
zu tun hat, sondern auch mit Langzeitdrogenkonsumenten, fühlt er sich
sehr wohl in der Praxis, in der das Wohl der Klienten Priorität hat.
Minerva Lehmann, 37 Jahre alt, Psychologische Beraterin
Minerva Lehmann kam im Jahre 2000 von Rumänien nach Deutschland. Hier
lernte sie schnell die deutsche Sprache, bildete sich von 2004 bis 2008
per Fernstudium an der Akademie für ganzheitliche Lebens- u. Heilweisen
(ALH) in Haan zur psychologischen Beraterin (in Vorbereitung auf die
Heilpraktiker-Prüfung für Psychotherapie) aus und absolvierte einen
Lehrgang für Ernährungsberatung an der Paracelsus-Schule in Köln.
Parallel zu ihren Jobs in Esoterikläden und Spielsalons, mit denen sie
die Ausbildungen finanzierte, besuchte sie verschiedene fachbezogene
Seminare während eines sechsmonatigen Praktikums bei der BeWo mobil in
Köln. Seit April 2011 befindet sie sich in einer Aus- und Weiterbildung
bei dem Institut für Humanistische Psychologie in Eschweiler.
In der Praxis für Gestalt und Migration ist Minerva Lehmann seit
November 2010 rund 15 Stunden wöchentlich. „Meine Arbeit beinhaltet die
Betreuung von einigen Klienten. Ich mache Hausbesuche, begleite sie bei
Behördengängen und betreue eine Frauengruppe in Zusammenarbeit mit den
Kollegen. Außerdem erledige ich noch einige Organisationsarbeiten“. Auf
der Suche nach einem erfahren Coach und Therapeuten, um
Selbsterfahrungen zu machen, lernte sie vor 5 Jahren Gert Levy kennen.
In sein Team aufgenommen zu werden, empfand sie als große Freude. Sie
schätzt die kollegiale Zusammenarbeit sehr sowie die Offenheit
untereinander. Minerva sieht die besondere Herausforderung ihres Tuns
darin, den Klienten Hoffnung zu vermitteln, sie zu motivieren und dabei
zu unterstützen, ihr Leben so gut wie möglich zu gestalten. „Mein
persönliches Motto lautet: ‚Bewusst leben‘ und das möchte ich auch
vermitteln. Dazu gehört es, auf sich selbst zu achten, sich gesund zu
ernähren und seinen Körper zu pflegen. Auch kann ich hier meine eigenen
Erfahrungen als Migrantin einbringen und dahingehend auch beratend
tätig sein.“ Gefragt, was die Praxis für Gestalt und Migration von
anderen BeWos unterscheide, antwortet sie. „Die Authentizität! Bei uns
stehen die Klienten an der ersten Stelle.“
Ulrike Kurzweg, 57 Jahre, Gehilfin in wirtschafts- und
steuerberatenden Berufen, Finanzierungsfachfrau
Ulrike Kurzweg kümmert sich um die finanziellen Angelegenheiten in der
Praxis für Gestalt und Migration. Sie erstellt Abrechnungen für die
einzelnen Klienten und erledigt alles, was damit an Vorbereitung
zusammenhängt. Sie bezahlt die eingehenden Rechnungen und schreibt
Rechnungen an die Privatpatienten. Außerdem erstelle sie Listen, die
die Sozialarbeiter benötigten, um beispielweise die Hilfepläne
einzureichen.
Alle 14 Tage sucht sie dafür die Praxis auf, den Rest ihrer Arbeitszeit
erledigt sie von Zuhause. Das ist ihr lieber, weil sie sich ihre Zeit
frei einteilen und die Dinge konzentrierter und effektiver erledigen
kann. „Im Büro herrscht doch eher Unruhe durch die ständig kommenden
und gehenden Klienten“, erklärt sie. Für die anstehenden Arbeiten
benötigt sie mittlerweile monatlich zwischen 35 und 38 Stunden. Durch
die stetig ansteigende Zahl der Klienten wurde auch ihre Arbeitszeit im
Laufe der Zeit immer mehr. Über einen anderen BeWo-Anbieter, für den
Ulrike Kurzweg ebenfalls arbeitet, hörte sie, dass Gert Levy jemanden
für die Abrechnungen brauche. Aus rein finanzieller Sicht findet sie es
problematisch, dass in der Praxis überwiegend Suchtkranke betreut
werden. Für Levy und seine Mitarbeiter sei es schwieriger, die
einzelnen Klienten zu den vereinbarten Terminen zu betreuen, da diese
Klienten noch unzuverlässiger seien als die anderer BeWos.
Dadurch gehe viel Zeit und Geld verloren, was Levy seinen
Leuten aber zahlen müsse. Wenn die Klienten aber nicht zu den
Verabredungen kommen und auch Zuhause nicht anzutreffen sind, könne er
aber dem LVR kein Geld in Rechnung stellen. „Deshalb, so die
Finanzfachfrau, „würde ich versuchen, auch Klienten, die keine Drogen-
oder Alkoholprobleme haben, zu betreuen.
Porträts einzelner Klienten
Wie wertvoll die Arbeit des „Ambulant betreuten Wohnens“ für einzelne
Klienten ist, wird anhand der Lebensgeschichten einiger ausgewählter
Personen klar, die die Praxis für Gestalt und Migration regelmäßig
aufsuchen. Sollte die Finanzierbarkeit dieses professionellen und
sozialen Dienstes weiterhin eingeschränkt werden, ist die Zukunft der
betreuten Menschen ungewiss.
Interview mit G, 40 Jahre, Italien
Als ich G. zum ersten Mal in der Praxis für Gestalt und Migration
treffe, ist er ganz der charmante Gastgeber. Während der sportlich
schlanke Italiener einen Kaffee kocht, erzählt er von seinen
sizilianischen Wurzeln und einer Familie aus Bankiers, Richtern,
Anwälten, Lehrern und Unternehmern. Nach dem Tod des Großvaters, der
unumstritten als Patriarch regierte, übernahm dessen Frau das Regiment
im Haus und begünstigte ihre Töchter. Sein Vater verließ daraufhin
Mitte der 70er Jahre Süditalien, um mit Frau und Kindern in Deutschland
sein Glück zu suchen. G. erinnert sich an eine fröhliche Kindheit, die
jedoch mit dem Tod seines Vaters am Tag seiner Kommunion abrupt endete
und ihn und seine beiden Brüder komplett aus der Bahn warf. Während der
Älteste sofort in die Kriminalität abrutschte, besuchte G’s
Zwillingsbruder die Schule und er selbst versuchte seine Mutter
finanziell zu unterstützen, um die jüngere Schwester verheiraten zu
können. Er verliebte sich mit 20 Jahren in eine Landsmännin und
gründete mit ihr eine Familie.
Als Drogendealer verdiente G. viel Geld und lebte, wie er sagt „in Saus
und Braus“, bis er mit 24 Jahren selbst ausprobierte, was er da
vertickte. „Innerhalb von einer Woche war ich drauf – auf Heroin“,
konstatiert G. Es folgten diverse Entgiftungen, viele Clean-Zeiten,
aber auch immer wieder Rückfälle, die er sich nicht erklären könne.
„Seit Anfang letzten Jahres bin ich im Methadonprogramm und
beikonsumfrei“. „Jetzt bereite ich mich auf eine Therapie vor.“
Mittlerweile ist G. geschieden und hat eine neue Freundin, die von
seinem Drogenproblem weiß. „Seit ich mit dieser Frau zusammen bin,
läuft es sehr gut. Ich arbeite an mir“. Meistens gehe er einer
Tätigkeit nach, in der Regel als Eisenflechter auf dem Bau. G. weiß,
dass er neben seiner Sucht und seiner kriminellen Energie ein gewisses
Gewaltpotential hat, das er nicht immer kontrollieren kann. „Wenn einer
meine Frau angafft, werde ich aggressiv. Wenn ich trinke, ist das
gefährlich. Letztes Jahr habe ich im Streit betrunken meine Freundin
angegriffen und ich kann mich nicht mehr daran erinnern. Das würde ich
im klaren Kopf niemals tun.“
Nach seinem letzten Rückfall, ist er im Methadon-Programm. Die
psychosoziale Betreuung erhält er in der Praxis für Gestalt und
Migration. „Seit Gert Levy mich aufgenommen hat, geht es nur noch
bergauf. Die Arbeit mit der Praxis hilft mir ungemein“.
Einmal die Woche besucht G. die Gruppentherapie. Meistens
seien sie zu viert und könnten über ihre Probleme reden. Wenn er mal
aggressiv sei, gehe er anschließend ohne Gewicht auf den Schultern
wieder nach Hause. Und das könne man nur im Rahmen einer professionell
geleiteten Gruppe machen. Er rede mit seinem Betreuer über alles.
Danach könne er sich auch einfacher mit seiner Freundin unterhalten.
„Ich fühle mich stabil. Und die Gruppe hat mir sehr geholfen. Ich mach
jetzt die Vorbereitung für die Therapie und es läuft super. Die fangen
mich immer wieder auf.“
Die Strenge mit der Gert Levy seine Klienten betreut, machte G. anfangs
zu schaffen. „Herr Levy sagte, dass ich Alkoholiker bin. Erst habe ich
mich vehement dagegen gewehrt. Jetzt gebe ich zu, dass ich ein
Alkoholproblem habe.“ Diese Einsicht habe dazu geführt, dass er sich
nun auch einem Antiaggressionstraining unterziehe, um seine Gefühle
auch in brenzligen Situationen kontrollieren zu können. „Gert Levy
zeigt mir, wie man mit Gesten und Körpersprache die Aggression
runterfahren kann, das ist ein wichtiger Schritt in eine bessere
Zukunft.
Interview mit L., 37 Jahre, Moskau
Bei unserer Begegnung fällt mir nicht nur sein besonderer Schmuck auf,
sondern auch seine fast rührende Offenheit. L. kommt aus Moskau und
lebt seit 20 Jahren in Deutschland. Da er jüdischer Abstammung ist,
plante die Familie zuerst nach Israel oder nach Amerika auszuwandern,
aber mit Hilfe deutscher Freunde landeten sie schließlich in der BRD.
Die ersten Jahre in der neuen Heimat waren nicht einfach für den
gelernten Krankenpfleger, da sein Berufsabschluss hier nicht anerkannt
wurde und er trotz anfänglicher Sprachprobleme ein neues Zertifikat
erarbeiten musste. Bei der Ausübung seines Berufes erkrankte er an
einem Rückenleiden und wurde medikamentenabhängig. „Ich war nie
akzeptiert unter meinen Kollegen. Das lag aber weder an meinen
Sprachproblemen, noch an den Ergebnissen meiner Arbeit, sondern die
Leute mochten es nicht, wie ich mich bewege, wie ich die Dinge mache.“
Die ständige Ablehnung führte dazu, dass sich L. mit
Medikamenten und anderen Drogen selbst therapierte, um, wie er sagt,
„meine persönlich Macke in den Griff zu bekommen.“ Erst bei einem
Besuch in der Praxis für Gestalt und Migration diagnostizierte Gert
Levy, dass L. an dem ADHS-Syndrom leidet. Eine Spezialistin auf diesem
Gebiet bestätigte diese Diagnose. Seither wird L. mit Medikamenten
behandelt, die ihm ärztlich verordnet werden und er nimmt keine
zusätzlichen Mittel als Beikonsum. „Die Sache mit den Drogen war ein
falscher Weg, mich zu kurieren. Ich habe sie nicht genommen, um Spaß zu
haben, aber es hat mir trotzdem sehr geschadet. Und jetzt kämpfe ich
jeden Tag dagegen.“
Die Praxis helfe ihm bei den verschiedensten Problemen. So auch im
Umgang mit den Behörden. Er habe schon immer Schwächen im Schriftlichen
gehabt und vergesse, wie man die Worte schreibe. Das bereite ihm auch
Probleme beim Ausfüllen von Formularen. Früher habe er Schwierigkeiten
mit einem Beamten auf dem Arbeitsamt gehabt. Er habe ihm immer wieder
Geld abgezogen, weil er ihn nicht mochte. „Er wurde sogar sehr
persönlich und sagte mir, dass er mich nicht ausstehen kann. Sein Chef
hatte kein Verständnis für mich.“
Gert Levy habe ihm sehr geholfen. Es sei ein großer
Unterschied, ob man als Privatperson da auftrete, oder ob eine Praxis
hinter ihm stehe. Jetzt habe er einen anderen Beamten auf dem
Arbeitsamt und es liefe alles ganz positiv. Da L. sich vor 10 Jahren
mit Unterstützung zweier Goldschmiede das Handwerk selbst beigebracht
hat, kann er nun, unbeobachtet von kritischen Blicken, in seinen
eigenen vier Wänden Schmuckstücke herstellen. Und das sei Dank der
Praxis für Gestalt und Migration auch alles offiziell geregelt. „Ohne
Gert Levy hätte ich das mit dem Arbeitsamt nicht geschafft. Ich sah
keinen Ausweg mehr.“
Interview mit F., 45 Jahre, Iran
Als Sohn eines berühmten iranischen Musikers kam F. vor fast 20 Jahren
auf dem Fußweg nach Deutschland, um hier Popmusik zu studieren. Aber
nicht nur sein musikalischer Geschmack stieß an die Grenzen des
damaligen Regimes im Iran, auch seine politische Einstellung ging nicht
mit den Mullahs konform. Nach fünf Monaten erhielt er einen Pass und
war überglücklich. Für dieses Vertrauen der deutschen Behörden bedankt
sich der höfliche Musiker noch im Nachhinein. 1997 erkrankte seine
Mutter und es war ihr letzter Wunsch F. zu sehen. Obwohl er wusste,
dass eine Heimreise gefährlich für ihn sein könnte, entschloss er sich
dafür. „Ich habe auf dem iranischen Konsulat einen Asyl-Pass bekommen,
wurde aber direkt hinter der Grenze verhaftet. Dort haben sie dann
meinen neuen iranischen Pass einbehalten. Die wussten alles über mich.“
Statt einem Monat war er dann 23 Monate im Land. Danach durfte er mit
dem Versprechen, keine westliche Musik zu machen, zurück nach
Deutschland. Dort war aber fünf Tage zuvor seine Aufenthaltserlaubnis
abgelaufen.
Seither hat F. nur einen Duldungsstatus, der immer wieder
verlängert wird. „Ich weiß einfach nicht, wie es weitergehen soll. Ich
darf nicht weiter als 20km von Köln weg und das seit 11 Jahren“. Er
habe Konzertangebote, die er aufgrund dieser Einschränkungen nicht
annehmen könne, bedauert F. Gert Levy habe einen Anwalt besorgt, aber
bislang habe es noch nicht geklappt, die Duldung aufzuheben. Zum Glück
habe er aber eine Arbeitserlaubnis und könne Musikunterricht geben. Er
sei einerseits durch die Musikszene, aber auch durch den ungewollten
Aufenthalt im Iran an Drogen gekommen. Ein Freund habe ihm dann 2007
von dem Methadonprogramm erzählt und ihm Gert Levy als Betreuer
empfohlen. „Hier in der Praxis für Gestalt und Migration habe ich viel
erreicht. Wenn ich Probleme habe, gehe ich zu Levy und er hilft mir. Es
ist wie eine zweite Heimat für mich. Levy kennt unsere Sprache und
Kultur und er kann sehr gut mit uns Iranern umgehen. Ich freue mich,
dass ich hierher gefunden habe. Wenn ich aus der Praxis gehe, bin ich
wieder ruhig.“
Neben dem kulturellen Verständnis und der Fachkompetenz lobt F. auch
die praktischen Hilfen, die er hier beispielsweise bei seiner
Wohnungsrenovierung erhalten hat. Auch über den Verlust seines Bruders,
der bei den jüngsten Unruhen im Iran getötet wurde, habe ihn sein
Betreuer in vielen Gesprächen hinweggeholfen „Ich konnte nicht
schlafen, weil mein Bruder gestorben war und hatte während des
Methadonprogramms Beikonsum. Schlaftabletten vom Schwarzmarkt. Nach 50
Tagen kann man dann nicht einfach aufhören. Durch die Hilfe von Levy
habe ich einen Ausstieg gefunden.“
F. erinnert sich an viele Gräueltaten, die er im Krieg erlebt
hat. Um besser mit seinen Albträumen fertig zu werden, habe Levy ihn an
eine Psychologin überwiesen. Auch regelmäßige Massagen, die ihn darin
unterstützen seinen Körper bewusster wahrzunehmen, tun ihm gut.
Was ihn allerdings wirklich aufrege sei, dass weder seine Hausärztin
noch Herr Levy einen Unterschied zwischen ihm und anderen Klienten
machen, die nach der Methadon-Vergabe Alkohol konsumieren. „Nach der
Vergabe gehe ich nach Hause, schreibe Noten, habe Schüler – gibt es da
keinen Unterschied zwischen mir und Herrn X? Das enttäuscht mich. O.k.,
wir sind beide krank und abhängig, aber ich strenge mich an.“
Interview mit G., 57 Jahre, Deutschland
In schwarzer Lederhose und Jeanshemd wirkt G. robuster und vitaler, als
er tatsächlich ist. Es bedarf zweier Sitzungen, um an Informationen zu
gelangen, da er aufgrund seiner langen Drogenkarriere erhebliche
Konzentrationsschwierigkeiten hat und immer wieder den Faden verliert.
Wenn er ihn jedoch gefunden hat, weiß er präzise zu formulieren. Er
stamme aus einer gutbürgerlichen Familie, habe aber mit 13 Jahren
zusammen mit zwei anderen Jungs chemisch gereinigtes Waschbenzin
geschnüffelt und mit 14 angefangen Haschisch zu rauchen, um sich
gegenüber dem strengen Vater abzugrenzen. „Mein Vater war der Herrscher
im Haus. Er war ein Diktator. Ein brutaler Despot. Ich musste
Strafarbeiten auf Latein in altdeutscher Schrift anfertigen und er hat
meine Mutter misshandelt. Ich hatte Angst, nach Hause zu gehen.“
Dann habe er einen Türsteher in einem Club kennengelernt, sei
nachts ausgebüxt und über ihn an Heroin gekommen. Zu dieser Zeit
erkrankte seine Mutter an Krebs und ihr Tod habe ihn dann vollends aus
der Bahn geworfen. „In dem Moment, wo ich erfahren habe, dass sie nicht
mehr lebend aus dem Krankenhaus kommt, bin ich jeden Tag dahin und
musste mit ansehen, wie aus dieser stattlichen Frau immer weniger
wurde“. Obwohl er seine Lehre als Fernmeldemechaniker mit einer guten
zwei im Theoretischen abgeschlossen habe, sei er danach nicht mehr zur
praktischen Prüfung gegangen. „Ich hatte ständig das Gefühl, unter
10.000 Leuten auf der Domplatte zu stehen, fühlte mich aber total
einsam.“ Das Verhältnis zum Vater wurde immer schwieriger. Als dieser
schließlich auch noch sein Schlagzeug beschlagnahmte, um eine
Fensterscheibe, die im gemeinsamen Streit zu Bruch gegangen war, zu
finanzieren, war es ganz aus. Zu den Drogen kamen Einbrüche, Knast, ein
Bauchschuss, Entzug und Rückfälle.
Seit 1978 ist G. im Methadonprogramm. Da seine frühere PSB
(Psychosoziale Betreuung) nach Mülheim zog, wechselte er 2006 in die
Praxis für Gestalt und Migration. Er habe von Anfang an Glück mit
seinen Betreuern gehabt und wisse auch, dass dieser Beruf einiges an
Nerven koste, betont G. immer wieder. Auch, dass er manchmal gegen die
Regeln verstößt, indem er sich ’ne Flasche Bier nach der Vergabe
reinzieht, ist ihm bewusst. Mehr könne er aber ohnehin nicht vertragen,
weil er an Hepatitis B leide. „Ich bin ziemlich oft hier. Ich bin gerne
hier. Ich schätze die Praxis. Ich kann auch ohne Termin kommen, wenn es
mal brennt.“ Insbesondere die Unterstützung bei seiner Umstellung auf
Rente schätzt G. „Alleine könne er den ganzen Bürokratismus nicht
bewältigen. „Nicht, weil ich nicht genug IQ habe, sondern diese Sprache
und die vielen Paragraphen lassen mich vergessen, was am Satzanfang
stand.“
Auch die Hilfe, bei der Einrichtung seiner Wohnung rechnet er
seinen Betreuern hoch an. Die gemeinsamen Gespräche mit anderen
Klienten in der Dienstagsgruppe helfen ihm gegen seine Depressionen.
Mittlerweil hat G. es geschafft, seinen Methadonkonsum von 12
Milliliter auf 1,5 runterzufahren und das ohne weiteren Beikonsum. Das
war ein langer Weg. Früher sei er ohne Benzos, die er sich auf dem
Schwarzmarkt organisiert habe, nicht klar gekommen. Dadurch, dass Ärzte
den Methadonpatienten keine weiteren Betäubungsmittel verschreiben
dürften, habe sich die Drogenszene in einen regelrechten Pillenmarkt
verwandelt.
Auf meine Frage, ob er sich vorstellen könne, irgendwann auch mal ganz
ohne Betreuung auszukommen, antwortet G. „Ich kann mir eher vorstellen,
mit einer langsamen Abdosierung ohne Methadon auszukommen, aber nicht
auf die Hilfe, die ich hier in der Praxis bekomme.“
Juni 2012 – Irma Wagner